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Abschied von den Schwestern (Text)

Lülsfeld verabschiedet sich in einer abwechslungsreichen Feier von den Klosterschwestern.

In einer knapp vierstündigen, aber kurzweiligen Veranstaltung verabschiedeten sich rund 100 Lülsfelder Bewohner von den etwa 40 anwesenden Klosterschwestern. Sie verstanden es den doch traurigen Anlass immer wieder mit individuellen Geschichten aus ihren Erfahrungen mit dem Kloster aufzuheitern.

Bürgermeister Wolfgang Anger startete den Reigen mit einer sehr persönlichen Begrüßungsrede. Er schilderte seine ersten Begegnungen mit den Schwestern als Ministrant und spannte den Bogen von seinen Erlebnissen bei den legendären Klosterfaschingsfeiern bis zu seinen ersten Kontakten zu den
Haushaltsschülerinnen.

Als Pfarrer Augustin Bandorf moderierte Otmar Haubenreich die Feier. Er erzählte wie es zu Zeiten des Bauherren des Klosters im Jahr 1873 im Dorf aussah. Mit einer Spende von Drei Mark begann Bandorf den Bau des Klosters. Da nach Fertigstellung des Rohbaus das Geld nicht ausreichte, wurde das Anwesen damals von der Kongregation der Schwestern des Erlösers übernommen. Diese bauten in den folgenden Jahren unter anderem die weit im Umkreis bekannte „erste Haushaltungs- und Arbeitsschule für die weibliche Landjugend“ auf.

Die Lülsfelder Kindergartenkinder hatten als Abschiedsgeschenk extra Plätzchen für die Schwestern gebacken. Überrascht waren die Kleinen von der großen Anzahl der anwesenden Schwestern, wo doch im Kloster selbst nur wenige Schwestern wohnen. Spontan ergriff Generaloberin Monika Edinger die Initiative und bedankte sich bei den Kindern mit einem Liedgeschenk. Auch Bürgermeister und Pfarrer wurden zur Unterstützung mobilisiert und durften sich aktiv beteiligen.

Wenn Josef Wieners an seine Zeit im Kindergarten im Kloster zurückblickt, fallen ihm immer wieder die unzähligen Gedichte ein, die er dort lernte. Deshalb trug er seine Erlebnisse mit den Schwestern auch in Versform vor. Eindrucksvoll schilderte er wie die Kinder zum Beispiel von der Bienenschwester vor einem schwärmenden Bienenvolk gerettet wurden. Auch wusste er von seinem ersten Kontakt mit einem dunkelhäutigen amerikanischen Soldaten zu berichten.

Anne Lurz schilderte das Leben aus Sicht einer Hauswirtschaftsschülerin. Heiß begehrt waren diese nicht zuletzt von der männlichen Jugend aus der Umgebung. Einmal gelang es einigen tatsächlich in das Kloster einzusteigen. Da sie unmittelbar erwischt wurden, endete der Ausflug letztendlich in Schweinfurt in der Hadergasse hinter Gittern. Unvergesslich auch die wunderbaren Blumenteppiche zu Fronleichnam und die extra zum Lülsfelder Faschingsumzug genähten aufwändigen Kostüme. Auch an die medizinische Versorgung bei kleineren Blessuren im Kloster erinnert sich Lurz heute noch. Sie schloss ihren Beitrag mit den Worten „Vielen Dank, dass ihr uns so viel beigebracht habt.“

Wohl jeder Lülsfelder Ministrant seiner Zeit wird sich an die unvergessliche Sakristanin Schwester Apollonia erinnern. So schilderten die Ministranten eindrucksvoll wie sie bei ihr sowohl Latein als auch das richtige Falten der Hände lernen durften und dass sie von ihr vor dem Gottesdienst herausgeputzt wurden. Auch die Geschichte von einer verschütteten Weihrauchglut sorgte bei den Zuhörern für Heiterkeit.

Anschließend interviewte Bürgermeister Anger zwei langjährige Klosterkapellenbesucherinnen. Julia Wiener konnte zum Beispiel alle im Kloster tätigen Geistlichen aufzählen. Rosa Fick schilderte ihre Erlebnisse im zweiten Weltkrieg mit den sogenannten Lagerflüchtlingen, Vertriebene aus Rumänien, die im Kloster Zuflucht gefunden hatten und von einem Fliegeralarm, den sie im Kloster erlebt hatte.

Als Nachbar teilte Robert Schemmel seine Erfahrungen die er in den vergangenen 60 Jahren gemacht hatte mit den Anwesenden. Er erzählte, dass Familie Schemmel wohl immer darüber informiert war, was gerade im Kloster vor sich ging, fürchtete aber andererseits, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Da er als Kind immer wieder Schwierigkeiten hatte sich die unkonventionellen Namen der Schwestern zu merken, bekamen diese kurzerhand die Namen ihrer Tätigkeit: Neben der Gartenschwester gab es die Bienenschwester, die Orgelschwester, die Kindergartenschwester und nicht zuletzt die Schwester Oberin. Anschließend schilderte er die Privilegien eines Klosterministranten. So lag nach dem Gottesdienst häufig eine kleine Leckerei für die Ministranten bereit. Zum Schluss seines Vortrags bedankte er sich nochmal in persönlichen Worten ausdrücklich für die sehr gute Nachbarschaft.

Eine Geschichte, die vielen Anwesenden nahe ging konnte Gerolzhofens Pfarrgemeinderatsvorsitzende Christiane Kerzdörfer vortragen. Sie schilderte die herzliche Aufnahme einer auf Asylsuche in Gerolzhofen gestrandeten Familie aus Tschetschenien. Diese hatten über einen Zeitraum von rund 8 Monaten hinter den Mauern des Klosters Zuflucht gefunden.

Da die Veranstaltung wegen des Umbaus des Gemeinschaftshauses in den Räumen der ÜZ stattfand, spannte Generaloberin Monika in ihrer Abschiedsrede den Bogen zwischen den beiden „Kraft-Orten“ in Lülsfeld. So fliese von beiden Enden des Dorfes ein wichtiger Strom in die Umgebung. Einmal im wörtlichen - im anderen Fall im übertragenen Sinn. Ein Stromausfall in heutiger Zeit sei schlimm genug. Zu einem geistlichen Ungleichgewicht durch den Auszug der Schwestern dürfe es aber nicht kommen. Sie rief die Lülsfelder dazu auf, diese Leere zu kompensieren. Sie wünsche sich, dass auch nach dem Auszug der letzten Schwestern das Haus ein Ort für Menschen bliebe. Auch Schwester Oberin Gundegard Deinzer nutzte die Gelegenheit sich ausführlich bei allen Mitwirkenden der Feier zu bedanken. Aber auch für die Unterstützung in allen Jahren und vor allem in den vergangenen Tagen fand sie persönliche Dankesworte.

Beendet wurde die abwechslungsreiche Feier durch Abschlussworte von Pfarrer Stefan Mai. Treffend fasste er die Situation in die Worte „Wir alle sind hier nur auf der Durchreise“. Er wünschte den Schwestern alles Gute für die Zukunft und bedankte sich bei Ihnen mit einem herzlichen „Vergelt´s Gott“.

Immer wieder aufgelockert wurde die Veranstaltung durch Musikbeiträge des Lülsfelder Kirchenchors und der Lülsfelder Musikkapelle.

Die Mitwirkenden:
Otmar Haubenreich moderierte als Pfarrer Augustin Bandorf
Josef Wiener als Kindergartenkind im Kloster
Anna Lurz als Schülerin der Haushaltungsschule
Die Lülsfelder Ministranten unter Leitung von Klaus Scheder
Rosa Fick und Julia Wiener als Gottesdienstbesucherinnen
Robert Schemmel als Klosterministrant und Nachbar
Christiane Kerzdörfer mit der Geschichte einer Flüchtlingsfamilie

Musikbeiträge:
Lülsfelder Musikkapelle unter der Leitung von Bernhard Scheder
Kindergartenkinder Lülsfeld angeleitet von Monika Sauer
Kirchenchor Lülsfeld unter der Leitung von Detlev Triphan

(Text: Matthias Wiener)

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